Gut, wir nehmen jetzt einmal das Beispiel Rothenburg her. Da geht ein Adliger hin und gründet eine Pfarrei, so fängt es an. Was auch immer der damit will, aber er möchte vielleicht seine eigene Kirche haben. Hm ja, es fängt nämlich überhaupt damit an, dass ich Städtegründungen nicht verstehe, will sagen die Motive dafür. Ich kann verstehen, wenn da eine Burg ist und umzu ein paar Ansiedlungen sind, ja: die so für die Versorgung sorgen. Aber eine Stadt?
Nun gut, also er gründet eine Pfarrei, dieser Adlige, er hieß übrigens Reiniger. Der Tatortreiniger, nun ja. Ah, und da kommt auch schon die Burg — jetzt bin ich wieder im Spiel. Die Comburg bei Schwäbisch Hall und die Grafenburg auf dem Essigkrug. Gleich zwei Burgen sogar, na das hätte jetzt auch nicht nötig getan. Vor allem muss ja auch noch mindestens eine dritte kommen, nämlich die Rothenburg. Aber hören wir weiter.
Vergessen ist der adlige Reiniger, denn jetzt gehört alles der Grafenfamilie Comburg-Rothenburg. Nun gut, das mögen jetzt Nachfahren sein, die — und das mag überraschen — noch sechs weitere Städte mit dem Namen Rothenburg gegründet haben. Scheint so ein Hobby zu sein von denen. Wenn man einmal anfängt mit dem Städtegründen. Dann kommt auch immer: teile deine Stadt auf Facebook! Ein Klick, und befreundete Grafenfamilien erblassen vor Neid, wenn die Comburger schon wieder ein neues Rothenburg aus dem Boden gestampft haben. Das ist ja bei dem Computerspiel »Anno Kuckucksuhr — ich bau eine Stadt« nicht anders.
Vier Rothenburgen sind heute in Deutschland, eine in der Schweiz und eine in Polen. Das ist sinnigerweise Rothenburg an der Oder oder auch Czierwieńsk.
Jetzt wollen sicher manche wissen: ja wie nun, und etwa Rotenburg an der Wümme? Aber nein. Das wurde von Rudolf von Verden gegründet, und zwar 1195. Da waren die Comburger schon lange unter den Radieschen.
1116 nämlich starb die Familie aus. Der Letzte vermachte die Burg (Burg? welche denn jetzt? Schwäbisch Hall wäre in der Gegend, aber die Grafenburg auf dem Essigkrug ist doch wohl die Gemeinte) — eh, also die Burg dem Kloster Comburg. Wie der Name andeutet, war das Kloster wahrscheinlich auch eine Erfindung der Grafenfamilie. Also jetzt keine Erfindung in dem Sinne, dass es nicht existiert hätte, bewahre. Ich meinte auch eher Gründung. So, und dann kommt ein Absatz über den Rintfleischpogrom und die Geschichte der Juden in Rothenburg, gefolgt von dem kryptischen Satz: Heinrich V., der diese Schenkung nicht bestätigte, gab den Besitz an seinen Neffen Konrad 3 als Lehen. Ich nehme jetzt an, das bezieht sich auf den Absatz, von dem wir vordem sprachen, und die Rintfleischgeschichte wurde später eingeschoben, ohne die Schnittkanten ordentlich zu vernähen.
Heinrich V. also, der anscheinend Vollmacht hatte (wir reden hier vom Kaiser Heinrich), gab das Gütchen mit kühlem Mütchen an seinen Sohn weiter. Will sagen: alles, was ohne Nachkommen unten als Erbmasse rausfällt, fällt automatisch dem Kaiser zu, ist doch nur fair. Wer hat denn die ganze Arbeit hier, na eben.
Konrad jetzt, der Dritte, wie wir schon hörten — und Achtung: jetzt wird es interessant für die mittelalterlichen Städtefanatiker. Er also wurde 1137 König, besah sich das beschauliche und schöne Rothenburg und sagte: Au ja. Hier halte ich Hof und errichte die Reichsburg auf der Fläche des heutigen Burggartens. Also, er sagte nicht »heutigen«, das wäre ja Quatsch. Er natürlich sagte »des späteren Burggartens«, weil er ahnte, wie alles kommen würde.
Dann kommt ein Ritterschlag, aber den überspringen wir und landen sanft am 15. Mai 1274, denn da wird Rothenburg — tadaa! — zur Reichsstadt erhoben. Und zwar durch — noch mal tadaa! — König Rudolf von Habsburg. Applaus für den König. Tja, aber warum steht da nicht, und auch nicht, wie das kam, und dann passiert nichts Interessantes mehr.
Das war die Geschichte der mittelalterlichen Stadt Rothenburg ob der Tauber. Im Anschluss bitten wir zu einem kleinen Umtrunk in den heutigen Burggarten. Den ehemals späteren.